Antoine Lilti trägt in Heidelberg im Rahmen der Französischen Woche Heidelberg-Mannheim zur Erfindung der Berühmtheit in der Zeit der Aufklärung vor. Dabei wirft er auch Gegenwartsfragen auf.

AN430217001. Bild: The British Museum / CC BY-NC-SA 4.0
Im Rahmen der Französischen Woche Heidelberg-Mannheim hat sich die Tradition etabliert, dass das Kurpfälzische Museum zusammen mit dem Historischen Seminar der Universität Heidelberg einen Abendvortrag ausrichtet. Einer Einladung von Prof. Dr. Sven Externbrink folgte in diesem Jahr Antoine Lilti, der an der EHESS forscht und dort unter anderem für das Master- und Doktorandenprogramm mit der Universität Heidelberg verantwortlich ist. Im festlichen Großen Salon des Palais Morass, und mit kammermusikalischer Untermalung, referierte er zum Thema seines im Jahr 2014 erschienenen Buches Figures publiques: L’invention de la célébrité, 1750‒1850.
Berühmtheit als Medienphänomen
Lilti präsentierte dann allerdings kein mondänes 18. Jahrhundert, sondern, in scharfem Kontrast zum Ambiente des Vortrags, ein erschreckend modernes. Bewusst wählte er anachronistische Begriffe wie „Star“ oder „Fan“, um eine Genealogie der Berühmtheit in den europäischen Metropolen der Aufklärung nachzuzeichnen. Passend dazu erklärte Lilti Berühmtheit zuallererst als Medienphänomen. Sie entstand im Laufe des 18. Jahrhunderts dadurch, dass Personen wie etwa Schauspieler, Schriftsteller oder auch politische Führungspersönlichkeiten zunehmend medial sichtbar wurden und die Neugier des Publikums auf sich zogen. Lilti veranschaulichte diese These am Beispiel Benjamin Franklins, dessen Konterfei auf unzähligen günstigen Drucken abgebildet wurde, die als eine frühe Form des Fanposters große Verbreitung fanden; Franklin-Büsten zierten indessen das heimische Kaminsims.
Ein zentrales Charakteristikum von Berühmtheit, so Lilti weiter, sei dabei gerade das gesteigerte Interesse für das Privatleben öffentlicher Personen, das nun in Text und Bild zugänglich wurde. Berühmtheiten wurden einer neuartigen medialen Beobachtung ausgesetzt, die sich gerade auch für den privaten Alltag interessierte. Intime Anekdoten zu Berühmtheiten füllten zunehmend die Zeitungsspalten: eine Verbindung von medialer Sichtbarkeit und Schlüssellochperspektive, die bis heute das öffentliche Leben prägt.
Eine Chance – und bisweilen eine Plage
Neben den medialen Mechanismen der Berühmtheit bildete ihre zeitgenössische Konzeptualisierung und Deutung den zweiten Schwerpunkt des Vortrags. Lilti betonte, dass das Wort Berühmtheit (célébrité) in zeitgenössischen Diskursen zunehmend Prominenz erlangte und deutlich von älteren Formen der Bekanntheit, wie vor allem dem aristokratischen Ruhm (gloire), abgetrennt wurde. Außerdem wurde sie schon im 18. Jahrhundert sehr kontrovers rezipiert: als Chance und als Plage. Jean-Jacques Rousseau erlebte seine Berühmtheit als Qual und verfluchte sowohl das neugierige Publikum als auch „Jean-Jacques“, sein öffentliches Bild, das sich zunehmend seinem eigenen Zugriff entzog.
Öffentlichkeit zeigte sich damit in Liltis Vortrag von ihrer ambivalenten und affektbehafteten Seite. Seine Untersuchung der Berühmtheit sei bewusst als Gegenentwurf zu Jürgen Habermas klassischer These konzipiert, die aufgeklärte Öffentlichkeit als Sphäre rationaler, kritischer Auseinandersetzung versteht – laut Lilti eine unzulässige normative Verengung. Das Medienphänomen „Berühmtheit“ verdeutliche stattdessen den dynamischen, szenischen und kommerziellen Charakter aufgeklärter Öffentlichkeit.
Entsprechend sei eine Celebrity-Kultur auch nicht als Zeichen eines spätmodernen Niedergangs von Öffentlichkeit zu verstehen, wie oft kulturkritisch vermutet wird. Die historische Analyse ihres Ursprungs im 18. Jahrhundert, so die Quintessenz des Vortrags, schärft den Blick auf die ambivalente Sichtbarkeit öffentlicher Figuren, die modernen Mediengesellschaften insgesamt eigen ist. (cs)